Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag – wann ist das möglich?

Der Kauf einer Immobilie ist für die meisten Menschen eine der größten Investitionen im Leben. Umso wichtiger ist es, die rechtlichen Grundlagen zu verstehen – insbesondere, wenn es darum geht, ob und unter welchen Umständen ein Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag möglich ist. Denn: Ein einmal notariell beurkundeter Kaufvertrag ist rechtlich bindend. Dennoch gibt es Situationen, in denen Käufer oder Verkäufer zurücktreten können.

1. Rechtliche Grundlage: Notarielle Beurkundung

Der Immobilienkaufvertrag muss nach § 311b Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zwingend notariell beurkundet werden. Mit der Unterschrift beim Notar sind Käufer und Verkäufer grundsätzlich an die Vereinbarungen gebunden.
Ein Rücktritt ist deshalb nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen oder durch vertraglich vereinbarte Rücktrittsklauseln möglich.


2. Rücktrittsrechte für den Käufer

a) Gesetzliche Rücktrittsrechte

Ein Käufer kann vom Vertrag zurücktreten, wenn:

  • Mängel verschwiegen wurden
    Beispiel: Der Verkäufer wusste von einem massiven Schimmelbefall oder einer Altlast im Boden, hat dies aber im Kaufvertrag nicht angegeben. → Rechtsgrundlage: § 123 BGB (Anfechtung wegen arglistiger Täuschung).
  • Unmöglichkeit der Leistung
    Wenn die Immobilie z. B. durch Brand oder Naturkatastrophe vor Übergabe zerstört wird, kann der Käufer zurücktreten. → Rechtsgrundlage: § 275 BGB.
  • Nichtzahlung von Hypotheken oder Grundschulden
    Stellt sich heraus, dass das Grundstück noch mit nicht genannten Belastungen versehen ist, die nicht übernommen werden sollten, kann der Käufer ebenfalls Rechte geltend machen.

b) Vertraglich vereinbarte Rücktrittsklauseln

Oft werden im Kaufvertrag Rücktrittsmöglichkeiten festgelegt, z. B.:

  • Finanzierungsvorbehalt: Der Käufer darf zurücktreten, wenn die Bank die Baufinanzierung nicht genehmigt.
  • Genehmigungsvorbehalt: Etwa bei Erbpachtgrundstücken, wo Dritte (z. B. Gemeinden) ihre Zustimmung geben müssen.

3. Rücktrittsrechte für den Verkäufer

Auch Verkäufer können in Ausnahmefällen zurücktreten:

  • Zahlungsverzug des Käufers: Wenn der Kaufpreis trotz Fälligkeit nicht gezahlt wird.
  • Vertragsverletzungen: Z. B. wenn der Käufer trotz Verpflichtung notwendige Genehmigungen nicht einholt.

4. Fristen und Formalitäten

Ein Rücktritt muss schriftlich erklärt werden und ist nur wirksam, wenn ein gesetzlicher oder vertraglich vereinbarter Grund vorliegt.
Wichtig: Ein Rücktritt ist keine einfache Meinungsänderung – eine bloße Unzufriedenheit mit der Immobilie reicht nicht aus.


5. Folgen des Rücktritts

  • Rückabwicklung des Vertrages: Bereits gezahlte Beträge (z. B. Anzahlung, Kaufpreis) müssen zurückerstattet werden.
  • Schadensersatzforderungen: Wenn eine Vertragspartei schuldhaft gehandelt hat, kann sie für entstandene Kosten (z. B. Notargebühren, Gutachten, Finanzierungskosten) haftbar gemacht werden.
  • Kosten beim Notar und Grundbuchamt: Diese bleiben häufig teilweise bestehen, selbst wenn der Vertrag rückabgewickelt wird.

6. Praxisbeispiele

  • Beispiel 1 – Finanzierungsvorbehalt:
    Herr Müller möchte ein Haus kaufen. Seine Bank lehnt jedoch den Kredit ab. Da im Vertrag ein Finanzierungsvorbehalt vereinbart wurde, kann er ohne weitere Kosten zurücktreten.
  • Beispiel 2 – Arglistige Täuschung:
    Frau Schmidt kauft eine Eigentumswohnung. Nach Vertragsabschluss stellt sie fest, dass der Keller seit Jahren feucht ist – ein Mangel, den der Verkäufer bewusst verschwiegen hat. Sie kann den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten.

7. Tipps für Käufer und Verkäufer

  • Kaufvertrag sorgfältig prüfen: Alle Vereinbarungen (z. B. Finanzierungsvorbehalt, Sanierungsmaßnahmen) sollten im Vertrag stehen.
  • Sachverständigen einschalten: Vor dem Kauf lohnt sich ein Gutachten zur Bausubstanz, um böse Überraschungen zu vermeiden.
  • Notar fragen: Der Notar ist verpflichtet, beide Parteien neutral über ihre Rechte und Pflichten zu informieren.

Fazit: Rücktritt nur in Ausnahmefällen möglich

Ein Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag ist in Deutschland rechtlich streng reglementiert. Käufer und Verkäufer sind nach der notariellen Beurkundung grundsätzlich gebunden. Rücktrittsmöglichkeiten ergeben sich nur durch gesetzliche Gründe (z. B. Täuschung, Mängel) oder durch klare vertragliche Vereinbarungen wie einen Finanzierungsvorbehalt.
Wer sich gut vorbereitet, im Vorfeld absichert und professionelle Beratung einholt, reduziert das Risiko erheblich.